Abschluss Seifenserie "Historische Seifen" Seife Nr. 4 Milchseife 1932 (CH)

"Zwei Seifen sind mir zu kompliziert" Zitat Albert Einstein auf die Frage hin, warum er zum rasieren und waschen die gleiche Seife benutzt. Vermutlich hätte mich Albert Einstein als sehr kompliziert eingeschätzt beim Anblick meiner Seifen neben den Waschbecken...

Beim Abschluss dieser Seifenserie über historische Seifen reisen wir von Deutschland aus in die Schweiz. Die Seifensiederei im späten 19. Jahrhunderts war vorallem durch die Herstellung von Putzseifen geprägt, wie es auch in vielen anderen europäischen Ländern der Fall war. Das besser erschlossene Eisenbahnnetz brachte aber dann auch im frühen 19. Jahrhundert interessante Öle für die Siederei in die Schweiz (Kokosöl, Palm- Palmkernöl, Olivenöl etc.). Nun ist auch klar, warum John Sharp Douglas in Hamburg sein Glück gefunden hat! Die schweizerische Seifensiederei hatte in Anbetracht der guten europäischen Konkurrenz einen schweren Stand - insbesondere die ausgzeichnete Savon de Marseille machte es den hiesigen Manufakturen schwer über längere Zeit Fuss zu fassen (Nachzulesen hier). Aus einigen kleinen Seifenmanufakturen wurden bedeutende Waschmittelkonzerne, andere schlossen ihre Türen für immer.  Hier ist ein schöner bebilderter Bericht dazu - ein weiterer Bericht findet sich hier. Bedeutende Manufakturen in dieser Zeit waren Friedrich Steinfels AG, die Savonnorie Sunlight und die Seifenfabrik Sträuli - die Berichte sind teilweise herrlich bebildert. Die grosse Ladenkette in der Schweiz setzte auf Eigenproduktion - ebenfalls lesenwert (v.a. die brauchbare Waschanleitung dazu - etwas runterscrollen!)

Von der Steinfels Seife konnte ich auf einem Online-Markt eine ergattern und hab mich riesig über das antike Stück gefreut:



Sie zeigt keinerlei Ranz und ganz ehrlich gesagt, würde ich sie nur zu gern ausprobieren.

Bei meinen Forschungen bin ich auf etliche Patente gestossen, welche in der Schweiz ca. anfangs des 20. Jahrhunderts eingereicht wurden:

Patent für die Herstellung von Rasierseifen
Patent für das Füllen von Seifen
Patent für eine Vorrichtung und Verfahren, um aus flüssiger Seife Seifenpulver herzustellen

Es lohnt sich diese Patenteinreichungen zu lesen - es ist erstaunlich, wie erfinderisch die Menschen damals waren und wie einfach wir es doch heute haben, wenn wir Seifen sieden.

Weiter geht es nun mit unrühmlicheren Kapiteln in der Siedegeschichte. Auch rechtliche Streitigkeiten gab es einige:

Lux-Seife
Klage wegen unlauterem Wettbewerb und Markenrechtsstreigkeiten. Hier geht es um Parallel-Importe aus den USA der Luxseife, welche dann auf dem schweizerischen Markt günstiger verkauft wurden, wie die hiesig produzierten.

Es gibt noch eine weitere Klage, über die ich berichten möchte und damit schliesst sich sinnigerweise der Kreis meiner kleinen historischen Serie:

Eine Manufaktur eröffnete 1876 ihre Pforten in Winterthur. Der Inhaber hatte in der Seifenfabrik Sträuli (siehe oben) sein Handwerk gelernt. Er macht sich im Alter von 32 Jahren selbständig und eröffnete ein Geschäft unter dem Namen "C. Buchmann & Cie". Genau 27 Jahre später gab es eine Rechtsstreitigkeit mit der Firma Bergmann & Cie aus Deutschland. Denn auch die Firma aus der Schweiz hat eine Lilienmilchseife produziert. Über die Steckenpferd Lilienmilchseife habe ich in meinem ersten Beitrag erzählt. Vielleicht erinnert ihr euch noch, dass die Firma Bergmann diese Lilienmilchseife unter dem Namen Dada Lilienmilchseife hier in der Schweiz vertrieben hat? Dada heisst im übrigen zu gut Deutsch Steckenpferd und ist eine kindliche Bezeichnung aus dem französischen für ein Steckenpferd.

So kam es nun, dass die deutsche Firma Bergmann & Cie die schweizerische Firma verklagt hat im Jahre 1903, weil sie auch eine Lilienmilchseife produziert hat und den Namen "Lilienmilchseife" verwendet hat. Die deutsche Firma bekam in erster Instanz vor dem Gericht in Zürich recht. Die schweizerische Firma hat Berufung eingelegt und in 2. Instanz wurde entschieden, dass die schweizerische Firma den Begriff "Lilienmilchseife" verwenden darf. Die Firma Bergmann & Cie aus Deutschland hat dann  vor der letzten Instanz, dem Bundesgericht  Berufung eingelegt und das Bundesgericht hat die Klage der deutschen Firma abgewiesen. Die Lilienmilchseife der Firma Buchmann & Cie durfte weiter produziert werden. Nachzulesen ist diese gerichtliche Streitigkeit hier (ab Seite 119).

Die Firma Buchmann & Cie wurde dann im Jahre 1914 in die Aktiengesellschaft Aspasia AG überführt und die Firma hatte bestand bis im Jahre 1975. Eine aussergewöhnlich lange Tradition für eine Toiletten-Seifenmanufaktur trotz der vielen Widrigkeiten, welche die Firma in diesen 100 Jahren erfahren musste. Nachzulesen ist die Firmengeschichte hier.

Meine historische schweizer Seife ist inspiriert von der Aspasia Milchseife. In einer Werbeanzeige in einer Tageszeitung aus dem frühen 20. Jahrhundert konnte ich entnehmen, dass die Milchseife auch aus Lanolin bestand. Der Rest des Rezeptes bleibt für mich im dunkeln.

Meine adaptierte Milchseife Anno 1932:


Die Farbe dieser Seife ist durch die Tonerde "Vagone grüne Erde" entstanden. Es war früher nicht üblich mit Tonerden zu färben (ausser bei braunen Seifen). Für die Seifenherstellung wurden Anilinfarben benutzt.

Für die Beduftung habe ich mich an das Buch "Die moderne Parfümierie" von 1932 gehalten und grösstenteils den Duft für Milchseifen aus der damaligen Zeit übernommen (künstl. Moschus hatte ich leider nicht und daher musste ich etwas improvisieren). Der Duft der Seife besteht aus den ätherischen Ölen Geranium, Rosenöl künstlich, Nelkenöl und Sandelholzöl (anstatt des künstlichen Moschus).

Meine verwendete Rezeptur:

Je 25% Palmkernöl, Alpenrindertalg aus der Schweiz, Sonnenblumenöl ho, 20% Rapsöl ho und 5% Lanolin. Die Ziegenmilch habe ich beim Bauern aus der Region geholt.

Alle 4 Seifen und Beiträge auf einen Blick:

 


Seife Nr. 1 Lilienmilchseife Anno 1890 (D)
Seife Nr. 2 The White Windsor Soap Anno 1900 (GB)
Seife Nr. 3 Kokosnussöl Seife Anno 1830 (D)

Die Lilienmilchseife wäscht sich von diesen vieren bis jetzt am schönsten, gefolgt von der letzten Seife, die trotz ihres jungen Alters bereits ein sehr schönes Hautgefühl hinterlässt. Den anderen beiden Seifen gönne ich jetzt noch eine lange Ruhezeit.

Ein bisschen wehmütig schliesse ich hier mit der Serie, denn sie hat mir wahrlich grosse Freude gemacht. Allzugerne hätte ich während den letzten 4 Wochen den einen oder anderen Ort meiner historischen Reise zur damaligen Zeit besucht. Der Aufwand für die Recherchen betrugen pro Seife 20-30 Stunden und so ist nun für mich Zeit geworden in die heutige Zeit zurück zu kehren und mich den anderen Alltäglichkeiten zu widmen.

Kommentare

  1. Liebe Sandra,
    Deine seifige Zeitreise liest sich wie ein Krimi. Total spannend und höchst interessant. Danke von ganzem Herzen, dass du uns daran teilnehmen lässt. ❤️❤️❤️
    Schönen Sonntag und liebe Grüße, Christiane

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    1. Liebe Christiane
      Herzlichen Dank für deine lieben Worte <3 <3 <3 Ich hab mich über die Massen darüber gefreut! All die vielen Swirls reizen mich im Moment wenig und so viele Zusätze habe ich schon verseift und ich bin froh, habe ich hier eine Ecke gefunden, die für mich so viel neues geboten hat. Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche!
      Liebe Grüsse
      Sandra

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  2. Liebe Sandra ❤️, hab vielen lieben Dank für deine Heidenarbeit. Ich bin total überwältigt von so viel Informationen. So toll 😊. Übrigens, als ich klein war hatten wir keine Badewanne oder Dusche, nur einen Waschzuber und Samstags war jeweild Badetag, bei dem der Zuber gefüllt wurde und wir Kinder alle nacheinander getunkt worden sind 😁. Und ich erinnere mich noch an den Duft der Seife.... Das war die besagte „Lux“ 😉... Danke für das Zurückbringen meiner Kindheitserinnerungen

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    1. Liebe Mirjam
      Das ist gerne geschehen - danke fürs Beisteuern deiner Kindheitserinnerungen und deinen Besuch <3 <3 <3 An solche Waschzuber zu Hause kann ich mich auch noch erinnern, die sind bei uns in der Waschküche rum gestanden. Ob wir die allerdings auch noch benutzt haben, daran kann ich micht nicht mehr erinnern... Die Lux Seife ist auch auf meinem Radar verschwunden, bis ich dann angefangen habe mit der Serie und mir die alten Werbungen und Bilder angeschaut habe. Da kam sie mir dann auch bekannt vor :-D
      Liebe Grüsse
      Sandra

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  3. Liebe Sandra,

    da hast du dir mit der Recherche, wahrlich eine Wahnsinnsarbeit gemacht! Die verschiedenen Seifenarten, dazu geschichtliche Hintergründe waren total spannend zu lesen. Wenn man mit
    dem Seifensieden so viele Herausforderungen wie du gemeistert hat, ist dies bestimmt eine
    willkommene Abwechslung oder nicht ;-)? Am liebsten würde ich an deinen nachgesiedeten
    geschichtlichen Seifen schnuppern und sie antesten wollen ♡♡♡ .Hammermäßig, das du
    diese alte "Steinfels Seife" entdeckt hast!
    Die würde bei mir sofort in der Vitrine verschwinden :-D.....

    Liebe Grüße
    Tina

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    1. Liebe Tina,
      Damit hast du recht, es war eine super Abwechslung für mich 😗 irgendwie gibt es grad für mich im Moment wenig reizvolle Techniken und daher musste ich mich nach was anderem umschauen 😎 Dass das dann noch so viel Spaß macht, war mir nicht von Beginn weg klar. Die alten Duftmischungen sind klasse und wenn man daran riecht, dann fühlt man sich schon ein bisschen in diese Zeit zurück versetzt... Ich freue mich, dass dir die Serie gefallen hat, hab vielen lieben Dank für deine Worte und deinen Besuch 💓💓💓 liebe Grüße Sandra

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  4. Liebe Sandra, ein schöner Abschluss Deiner geschichtlichen Seifenreise durch die Welt sie war höchst interessant. Hast Du Deine Steinfels Seife nun angewaschen oder nicht oder traut man sich es kaum und bewahrt sie gut auf? Schön sind sie alle auf dem Gemeinschaftsfoto, sag mal hast Du für jede Seife einen Stempel machen lassen?
    LG Henni

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    1. Liebe Henni, herzlichen Dank für deine lieben Worte. Diese Steinfels Seife hab ich noch immer nicht ausprobiert.... Es würde mich aber ungemein reizen. Das ist ein Stempelset von Amazon (Herlitz) da kannst du die einzelnen Buchstaben setzen und immer wieder neu zusammen stellen.
      Liebe Grüße
      Sandra

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  5. Liebe Sandra
    Ich bin total fasziniert von deiner Hingabe das alles zu recherchieren und niederzuschreiben für uns. Die Seifen sind wunderschön geworden. Als schweizer Seifensiederin in den Anfängen, ist dein Bericht besonders spannend. Deine Liebe zur Siederei ist sehr gut zu spüren.

    Ich danke dir herzlich, dass du uns daran teilhaben lässt.

    Liebe Grüße Lucie

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    1. Liebe Lucienne
      Es war auch für mich eine sehr schöne Zeitreise, die ich wirklich sehr genossen habe und mir viel gegeben hat. Danke für deine sehr schönen Worte und Deinen Besuch bei mir - das hat mir sehr gut getan <3 Alles Liebe Dir Sandra

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